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Posts Tagged ‘Literaturkanon’

Dies ist eine kurze Inhaltsangabe zu „Kein Entkommen“ von Linwood Barclay. Das Buch erschien in Amerika 2010 und in Deutschland, übersetzt von Nina Pallandt, im Mai 2011.

In dem Thriller „Kein Entkommen“ von Linwood Barclay geht es um einen Reporter, David Harwood. Sein Leben läuft super, doch als er sich und seiner Familie, seiner depressiven Frau Jan und Sohn Ethan, etwas gönnen will und in den Freizeitpark „Five Mountains“ fährt, ändert sich sein ganzes Leben. Jan verschwindet. Nachdem die Polizei eingeschaltet ist, sieht alles so aus, als wäre David der Entführer seiner Frau. Schließlich ermittelt er auf eigene Faust. Jedoch findet er einfach keine Erklärung. Außerdem wird er auch noch von einem Firmenbesitzer bedroht, welcher Stadträte schmiert um seinen Willen Wirklichkeit werden zu lassen.

Ich finde diesen Thriller sehr gelungen! Spannung bis zur letzten Seite, zudem sehr realistisch und vorallem wegen der „Echtheit“, in der Davids Ermittlungen beschrieben werden, ein abwechslungsreiches, geladenes Actionvergnügen. Definitiv kein rausgeworfenes Geld!

Dies wäre ein Link um das Buch zu kaufen (zumindest bei amazon.de): http://www.amazon.de/Kein-Entkommen-Linwood-Barclay/dp/3548283489/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1330627980&sr=8-1

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Dies ist eine Inhaltsangabe zu der Kurzgeschichte „Nachts schlafen die Ratten doch“, welche von Wolfgang Borchert 1946 geschrieben wurde. In dieser Kurzgeschichte geht es um einen Jungen, der von einem Mann angesprochen wird. Diese Kurzgeschichte handelt während oder nach dem 2. Weltkrieg.

Die Hauptperson ist der neun-jährige Junge Jürgen. Jürgens Bruder ist während eines Bobenangriffs gestorben. Seitdem passt Jürgen auf die Leiche seines Bruders mit allen Mitteln auf, denn er denkt, dass Ratten an ihm herum knabbern könnten. Daher geht er auch nicht in die Schule. Später kommt ein älterer krummbeiniger Mann zu Jürgen und die beiden kommen ins Gespräch. Sie unterhalten sich darüber, dass Ratten nachts schlafen, und daher muss Jürgen nachts nicht auf seinen toten Bruder aufpassen, sondern kann schlafen. Außerdem lockt der ältere Mann Jürgen zu sich nach Hause, indem er über seine Kaninchen redet.

Es ist zwar nicht ganz klar, ob Jürgen wirklich zu dem älteren Mann geht, doch ich denke, dass Jürgen mit dem Alten geht.

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„Die gefährlichsten Krankheiten sind die, die uns glauben machen, es ginge uns gut.“
So lautet er, der zweiundvierzigste Spruch im ‚Book of Shhh‘ oder, zu deutsch, im Handbuch für Sicherheit, Gesundheit und Glück.

Die schlimmste dieser Krankheiten ist natürlich Amor Deliria Nervosa, die Liebe. Deshalb scheint es so ein riesiges Glück, dass es vor einigen Jahren einer Gruppe von Wissenschaftlern gelang, eine Lösung zu finden, ein Heilmittel gegen die Liebe.

Dieser Heilung, einer Operation, unter Narkose ausgeführt, bei der die Liebe und damit alle Empfindungen mit ein paar Schnitten aus dem Gehirn entfernt werden, muss sich jeder US-Staatsbürger mit 18 Jahren unterziehen. Zuvor wird er einer Prüfung unterzogen und schließlich mit dem individuell passenden Partner verkuppelt. Sicherheit, Wohlstand und Fortbestehen der Nation sind damit gesichert, die Kriminalitätsrate liegt bei fast null und jeder erhält das Recht, auf ganz einfache Weise glücklich und ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft zu sein.

Kein Wunder, dass Lena, die Hauptperson in Lauren Olivers „Delirium – What if love were a disease?“, sich ihre Heilung seit sie denken kann herbeisehnt wie nichts anderes auf der Welt. Normal sein, das ist alles, was sie möchte – und bei der Vergangenheit auch kein Wunder…

Lenas Vater verschwand spurlos, als sie selbst noch ein kleines Kind war. Ihre Mutter, zutiefst infiziert mit der Deliria, nimmt sich das Leben und hinterlässt Lena und deren ältere Schwester Rachel, die zur Tante Carol abgeschoben werden. Fortan wird Lenas Leben geprägt von der ständigen Abneigung und Verachtung ihrer Mitmenschen, da sie die Tochter einer Infizierten und damit beinahe selbst eine Ausgestoßene ist…

Olivers Roman „Delirium“ beginnt schleppend und doch nicht ohne Potenzial. Die Autorin zeichnet das verstörende Bild einer Welt ohne Liebe, einer Welt, in der Jugendlichen die Zukunft verbaut wird, weil sie Rot oder Grau als Lieblingsfarbe angeben und nicht etwa Blau und Grün oder weil sie „Romeo und Julia“ mögen, weil es Kunst ist und nicht für die detailgetreue Darstellung der Gefahren der Liebe. Dennoch verläuft sich dieses Potenzial ziemlich schnell in eine altbackene und vorhersehbare Liebesgeschichte…

Denn wer hätte das bitte erwartet?! Die so konforme Lena kommt durch ihre beste Freundin Hana in Kontakt mit dem Widerstand. Natürlich in ganz kleinen Schritten, damit die Entwicklung Lenas auch gut nachvollziehbar erscheint: Man bricht beim Rennen mehr aus Mitläuferschaft in ein Gelände des Staats ein, man besucht ein verbotenes Konzert, um der Freundin zu zeigen, dass man doch kein Feigling ist und zack, wer hätte das nun wieder gedacht? Die ach so brave Lena lernt einen Jungen kennen – obwohl der Kontakt zwischen Mädchen und Jungen vor der Heilung in dieser Zukunftsversion unserer Welt natürlich strengstens verboten ist, verliebt sich in ihn und wird plötzlich zur größten Gegnerin des Systems.

Würde Frau Oliver diese Liebesgeschichte nur als Aufhänger benutzen – man könnte es ihr verzeihen. Denn sind wir mal ehrlich, so ganz ohne Liebe und Drama geht es dann doch nicht und wenn sie uns schon das fürchterliche Bild einer Welt ohne Liebe aufdrückt, wollen wir nebenbei gerne noch ein wenig Herzschmerz geliefert bekommen.

Das Problem an der Sache ist nur, dass „Delirium“ sich in dieser Liebesgeschichte verliert, dass die Dystopie irgendwo verloren geht – in den seitenlangen Beschreibungen von den wundervollen Sommernachmittagen von Lena und Alex und in Lenas so philosophischen Gedanken über die Welt und das Leben – ganz so bahnbrechend sind die nämlich auch nicht – und in der wahnwitzigen Einfachheit, mit der Lena und ihr Alex sich durch den Sommer navigieren, obwohl diese Art von Kontakt strengstens verboten ist.

Damit zieht sich die Geschichte von „Delirium“ in die Länge wie ein altes Kaugummi, ist im Übrigen genauso spannend und obwohl man eigentlich genau weiß, wie alles enden wird, liest man bis zum Schluss – man will den Glauben an die Menschheit ja doch nicht aufgeben. Sollte man vielleicht, denn „Delirium“ endet genauso wie unzählige vor ihm – in einer melodramatischen und wahnsinnig unrealistischen Verfolgungsjagd mit blutigem, herzzereißendem Ende und einer philosophischen Lena, die so richtig Lust auf den nächsten Band in der Trilogie macht.

Lesen werde ich den vermutlich trotzdem, immerhin bietet dieses Buch und die darin entwickelte Welt ein großes Potenzial und auch nach fast 400 Seiten glaube ich an das Können von Frau Oliver. Und falls der zweite Band, wie so oft, schlechter wird – na dann hab ich wieder was zum Aufregen. Gott sei Dank lebe ich in einer Welt, in der man sich wenigstens noch aufregen darf 🙂

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…verließ Georges Duroy das Restaurant. Da er von Charakters wegen und als ehemaliger Unteroffizier gern den Schneidigen spielte, drückte er die Brust heraus, zwirbelte den Schnurrbart mit einer soldatischen, ihm geläufigen Geste und warf auf die noch verweilenden Speisenden einen raschen Rundblick, einen jener Blicke, die eine Eigentümlichkeit hübscher Kerle sind und die wie die Schnabelhiebe eines Sperbers wirken…

So beginnt er, Bel-Ami, der erfolgreichste Roman des französischen Schriftstellers Guy de Maupassant. Die Geschichte des mittellosen Georges Duroy, der es mit Geschick und Rücksichtslosigkeit zu Reichtum und Ruhm in der Pariser Gesellschaft, zu einem berühmten Journalisten und sogar Politiker schafft, hat auch heute nichts von ihrer Aktualität und Brisanz verloren und gehört zu den größten Werken der Weltliteratur. Dementsprechend versteht es sich von selbst, dass schon unzählige Bücher nur über diesen Roman geschrieben und tausendfach diskutiert wurden. Ich möchte nun nicht damit langweilen, meinen Eindruck zu schildern – allein deshalb, weil er gar nicht viel anders ist als die Eindrücke anderer Normalsterblichen, die dieses Buch bei Amazon.de kommentiert haben. Hier ein paar Auszüge dieser Kommentare, denen ich mich nur anschließen kann:

„… Die skrupellosen Machenschaften des Protagonisten Georges Duroy, dem nichts wichtiger ist als seine Karriere, werden interessant und spannend geschildert. Duroy bedient sich dabei seiner attraktiven Wirkung auf Frauen sofern diese für ihn von Vorteil sind. Es ist interessant zu lesen, welche Wege ein Mann geht, um zu Karriere und Wohlstand zu gelangen. An der Tatsache der Verlogenheit und Skrupellosigkeit beim Streben nach Karriere hat sich, meiner Meinung nach, bis heute nichts verändert, wenn auch die Wege aufzusteigen oft moderner geworden sind. Tolles kritisches Gesellschaftsporträt! …
Soviel ich weiß, soll eine neue Verfilmung des Romans im nächsten Jahr erscheinen. Robert Pattinson (Twilight) soll Duroy spielen. …“

„Großartig, fesselnd und immer noch aktuell… ist dieser Klassiker über die Karriere eines Emporkömmlings. Mit Spannung las ich Seite um Seite und fand erstaunliche Parallelen zwischen der Gesellschaft in Frankreich um 1885 zu unserer heutigen Zeit….
Mit leichter Hand sind Sätze in den Text hineingemischt, die zu unsterblichen Aphorismen geworden sind. Und das Ganze ist obendrein richtig spannend ohne Blutvergießen, sehr erotisch ohne eindeutige Szenen und moralisch ohne erhobenen Zeigefinger. Spannung, Erotik und Moral ergeben sich im Kopf des Lesers von selbst. Guy de Maupassant erreicht dies allein durch Beschreibung von Situationen und eindrückliche Schilderungen gesellschaftlicher Ereignisse. Wie in einem Zeittunnel findet man sich beim Lesen in Paris um 1885 wieder. Man sieht, schmeckt, hört, riecht und spürt die Atmosphäre und alle Figuren sind psychologisch unglaublich stimmig, Guy de Maupassant hat auch Sigmund Freud in diesem Roman vorweggenommen. Auch ist es eine Leistung, ein umfangreiches Buch über einen Menschen zu schreiben, der einem von Seite zu Seite unsympathischer wird und man will trotzdem wissen, wie es weitergeht.“

„… Dieser Roman ist ein böses Buch,sein Protagonist ein rücksichtslos-brutaler Karrierist,der mit unglaublicher Härte seine
eigentlich bescheidenen Fähigkeiten nutzt,um aufzusteigen.
Keine der Romanfiguren ist unschuldig,aber Bel-Ami verwandelt alle in Tasten auf seiner Klaviatur,um seine Ziele zu errreichen.
Das Buch ist heute so aktuell,wie damals,und zeichnet ein sehr gutes Bild der Stadt Paris und seiner Gesellschaft in den Achtzigern des 19.jahrhunderts….“

(aus amazon.de )

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… einsehen, dass es kein Anderswo gibt.“

Zu diesem Fazit kommt der 14-jährige Protagonist Sacha Winter im fabelhaften „Ich dich auch nicht“ (Original: „Mes illusions donnent sur la cour“) von Sacha Sperling. Es ist eines dieser Bücher ohne Handlung – oder besser gesagt mit einer Handlung wie sie in unzähligen anderen Büchern, in Filmen und Serien und in der Musik beschrieben und durchlebt wird, diese Handlung, die wir alle jeden Tag in der ein oder anderen Form und vor allem sehr abgeschwächt erleben. Sacha Winter lebt mit seiner Mutter, die es mit der Erziehung nicht sehr ernst nimmt, in Paris. Den Vater sieht er regelmäßig, ebenso seine Halbgeschwister, zu denen er allerdings keinen Zugang findet. Im Zug lernt Sacha Augustin kennen, der ihm anfangs noch unsymphatisch, fast merkwürdig erscheint, ihn aber nach und nach immer mehr in seinen Bann zieht. Zusammen feiern Sacha und Augustin nächtelang wilde Partys, koksen, kiffen und legen Mädchen flach. Nachdem sie sich einer Wette halber geküsst haben, beginnen sie eine Affäre. Währenddessen sinken Sachas schulische Leistungen ins Unermessliche, viel zu spät bemerkt auch seine Mutter ihren Handlungsbedarf, der Vater versucht unbeholfen zu kitten, Sacha wird zum Psychologen geschickt und es ist schlussendlich doch er selbst, der die Sinnlosigkeit des Lebens erkennt, egal ob man „der Sonne trotzt, die immer zu früh aufgeht“ oder das spießige Leben führt, dass Sacha und seine Freunde verachten..

Der Autor dieses Buches, das in Frankreich einen riesigen Skandal auslöste, in Deutschland allerdings relativ unbekannt erschien und blieb, arbeitete seit Jahren an seinem Debütwerk und stellte es mit 18 Jahren fertig. Er lebt in Paris, stammt selbst aus einer Künstlerfamilie und der Inhalt seines Buches „speist sich aus eigener Erfahrung, manches ist von Freunden inspiriert, und anderes ist schlicht ausgedacht“.

Fakt ist jedoch, dass die eigentliche Kraft von „Ich dich auch nicht“ nicht in der bekannten und berechenbaren Handlung liegt und auch nicht im abgelutschten Fazit, in der Hinterfragung von Traditionen oder im Ringen um einen Sinn zwischen allen Absurditäten. Die Kraft, die dieses Buch so einmalig, fesselnd, so wunderschön und abschreckend zugleich macht, ist die wahnsinnige Sprachgewalt, mit der Sperling schreibt. Seine Worte sind ganz große Kunst, poetisch, unbehaglich, hoffnungslos ehrlich. Und dabei immer gnadenlos schön.

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Gerade innerhalb von einem Tag dieses wahnsinnige Buch gelesen, wahnsinnig verstörend, wahnsinnig aufwühlend und wahnsinnig schön. Eines dieser Bücher, deren Handlung man nach dem Lesen gar nicht mehr erklären könnte, die man entweder in einen oder in eine Millionen Sätze packen kann, vor allem eines der Bücher, die man so schnell nicht vergisst, obwohl man gar nicht so genau weiß, was man darüber denken soll…
In den nächsten Tagen mehr über Sacha Sperlings Debütroman, bis dahin nur eine gaaanz fette, riesengroße Leseempfehlung!

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… und bin so klug als wie zuvor.“

Johann Wolfgang von  Goethes „Faust“, von vielen als das größte Werk der deutschsprachigen Literatur gefeiert, gehört zur Pflichtlektüre an Schulen und das, zumindest meiner Meinung nach, völlig gerechtfertigt. Abgesehen von der Aktualität des Stoffes, den breitgefächerten, angesprochenen Themen und der unzähligen Interpretationsmöglichkeiten, gilt Goethes sprachliche Stilistik noch heute als unangefochten und viele Zitate aus dem „Faust“ sind fest in den Sprachgebrauch übergegangen. Goethe zu lesen, darüber zu diskutieren und Deutungsmöglichkeiten zu suchen, zählt dementsprechend zur Allgemeinbildung.

Auch in meinem Deutsch-Kurs wurde in den letzten Wochen und Monaten Goethe gelesen und zum Abschluss sollte jeder ein kleines Resümee schreiben. Eingereicht wurden zahlreiche Lobeshymnen auf die Genialität Goethes und das, obwohl nur die Hälfte des Kurses diese Tragödie überhaupt gelesen hatte…
Obwohl mir selbst die Bedeutung des Werkes durchaus bewusst ist, kann ich dem „Faust“ und seinem Autor im Allgemeinen nicht viel abgewinnen. Die Figur des Doktor Faust ist für mich zutiefst abstoßend, ein verblendeter, grenzenlos egoistischer Mann, der nach etwas Unerreichbarem strebt, ohne auf seine Umwelt und seine Mitmenschen zu achten. Am Ende von „Faust II“ wird Faust trotz aller Vergehen erlöst, als Begründung wird angegeben, er habe immer „strebend sich bemüht“. Es heißt also, wer sein Leben lang nach etwas strebt, braucht dabei nicht erfolgreich zu sein, solange er sich bemüht, das Ergebnis steht nicht zur Debatte. Dies entspricht nicht meiner Auffassung, da ich denke, dass sich der Mensch hauptsächlich über sein Handeln definieren sollte. Wer sein Leben lang nach etwas strebt, ohne voranzukommen und sich nur bemüht, der kann nicht glücklich sein. Zudem können Bemühungen in die völlig falsche Richtung laufen, allein deshalb muss man das Ergebnis betrachten.

Auch Goethe als Mensch kann ich nicht ernst nehmen, seine Werke somit nicht unvoreingenommen lesen. Auf mich wirkt er seltsam teilnahmslos, niemals für etwas wirklich und tatkräftig begeistert und beim Lesen kann ich die Gefühle seiner Figuren nicht nachvollziehen. Wenn ein Mann wie er, mit viel Geld, Lastern und der Freiheit, fast alles zu tun und zu lassen, dann auch noch predigt, die weltlichen Güter seien nicht alles, sie selbst aber vollends auskostet, dann kann ich so einen Mann nicht für voll nehmen oder sogar bewundern.

Schlussendlich ging es mir nach der Lektüre ähnlich wie dem Doktor Faust. Da saß ich nun, ich armer Tor, und war wirklich kaum klüger als zuvor…

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„L’insouciance est le seul sentiment qui puisse inspirer notre vie et ne pas disposer d’arguments pour se défendre!“

(Tollkühnheit ist das einzige Gefühl, das unser Leben inspirieren kann und findet bloß keine Argumente, um euch dagegen zu verteidigen!)
Françoise Sagan

Die 17-jährige Cécile lebt mit ihrem Vater Raymond in Paris. Ihre Mutter ist früh gestorben, erst vor 2 Jahren holte Raymond seine Tochter aus einem Internat zu sich nach Hause. Seitdem genießen die beiden das leichte Leben reicher Leute. Raymond, großzügig, charmant und gutaussehend, wechselt seine Geliebten mindestens alle paar Monate. Für Cécile ist er mehr bester Freund als Vater, sie steht für ihn an oberster Stelle.

Den Sommer wollen beide zusammen mit Raymonds jüngster Eroberung, Elsa Mackenbourg, in einer Villa an der Côte d’Azur verbringen. Die drei führen ein unbeschwertes Leben zwischen Strand, Villa und Partys. Cécile macht sich keine Gedanken um die Zukunft, obwohl sie gerade durch ihre Prüfungen gerauscht ist. Sie lebt im Hier und Jetzt.

Kurz nach ihrer Ankunft in der Villa lernt Cécile den Jurastudenten Cyril kennen.

Ich hatte nicht viel übrig für die Jugend. Ich zog die Freunde meines Vaters vor, Männer von vierzig, die mich mit ausgesuchter, fast gerührter Höflichkeit behandelten und mir mit einer Zartheit begegneten, in der etwas von einem Vater und etwas von einem Liebhaber war.

Trotzdem verlieben sich Cyril und Cécile ineinander.

Die Idylle wird gestört durch den Besuch der Designerin Anne Larsen, einer Freundin von Céciles verstorbener Mutter. In kürzester Zeit stülpt die gebildete und kultivierte Anne den Alltag in der Villa um, verdonnert Cécile zum Lernen und verbietet ihr den Umgang mit Cyril.

„Du solltest eigentlich wissen, dass diese Art von Vergnügen gewöhnlich in einer Klinik endet.“

Cécile hat das ungute Gefühl, Anne könnte in ihrem Vater mehr sehen als einen guten Freund und tatsächlich scheinen sich ihre Befürchtungen zu bewahrheiten.
An einem gemeinsamen Abend in Cannes, den Raymond nicht mit seiner Geliebten, sondern mit Anne im Auto verbringt, merkt auch Elsa, dass nichts mehr ist wie vorher und zieht vorerst aus der Villa aus.
Am nächsten Morgen verkünden Raymond und Anne, sie wollten heiraten.

Das würde unser ganzes Leben ändern. Unsere Unabhängigkeit war verloren. Ich sah es schon vor mir, unser Leben zu dritt: An der Seite der intelligenten und kultivierten Anne würden wir plötzlich ausgeglichene Menschen werden und jenes Leben führen, um das ich sie bisher beneidet hatte. Mit klugen, feinsinnigen Freunden, ruhigen, glücklichen Abenden …

Hin und her gerissen zwischen Bewunderung und Abscheu, spinnt Cécile eine Intrige, um Anne aus dem Leben ihres Vaters und damit auch aus ihrem eigenen Leben zu verbannen.
Mit Cyril spielt sie dabei ebenso wie mit Anne, er meint es ernst mit ihr, macht ihr sogar einen Heiratsantrag.
Immer wieder steht Cécile kurz davor, Anne an der Seite Raymonds zu akzeptieren, aber nach und nach entwickelt die Intrige ein Eigenleben, das Cécile nicht aufhalten kann. Mit fatalen Folgen…

Das Buch, leicht geschrieben und verständlich, zum Zeitpunkt des Erscheinens absolut anrüchig, schlägt heute, betrachtet man die Handlung, keine Wellen der Empörung mehr. Was es zeigt ist eine ganz eigene Stimmung, eine sommerliche, betrübte Atmosphäre mit nachvollziehbaren Charakteren frei von Klischees.
„Bonjour Tristesse“ bietet absatzweise gar Stoff für Diskussionen und insgesamt ein luftiges Lesevergnügen, perfekt für den Sommer und zugleich für jede andere Jahreszeit, es ist eine Art Sepia-Fotografie und das Vermächtnis einer sagenhaften Autorin, deren exzessives Leben leider nur ansatzweise in ihren Büchern auftaucht, die in Anbetracht dieser Frau sogar erstaunlich brav wirken.

Françoise Sagan. Ikone einer Generation und noch heute eine der bekanntesten, französischen Schriftstellerinnen.
Am 21. Juni 1935 in Cajarc, Lot geboren, entstammte Sagan, mit bürgerlichem Namen übrigens Quoirez, einer angesehenen Industriellenfamilie. Ihr Literatur-Studium an der Pariser Sorbonne brach sie ab, schrieb stattdessen ein Buch, wie sie es ihren Freunden immer prophezeit hatte. „Bonjour Tristesse“ machte sie über Nacht berühmt, brachte ihr zahlreiche Preise ein und sorgte für einen riesigen Skandal. Ihren Eltern zuliebe nahm sie ein Pseudonym an, Sagan nach der Romanfigur Boson de Sagan von Marcel Proust.

Als Autorin schrieb sie nicht nur Bücher, ebenso Theaterstücke und andere Drehbücher, Ballette, Chansons, Reiseberichte. Immer wiederkehrendes Thema waren dabei reiche Männer und besonders Frauen, die das Geld hätten, sich alle Wünsche zu erfüllen und dennoch mit der scheinbaren Sinnlosigkeit des Lebens nicht fertig werden.
Sagan, eine enge Freundin Jean-Paul Sartres, stand dem Existenzialismus nicht fern. Ihr waren die Probleme ihrer Figuren nicht fremd.

Sagans Leben, das sind fast vierzig Romane und Theaterstücke und unzählige weitere Werke und Fragmente, das sind zwei gescheiterte Ehen und ein Sohn, unzählige Affären, inspirierende, tiefgründige und oberflächliche Freundschaften zu den angesehensten Intellektuellen und Künstlern ihrer Zeit.

Denkt man an Françoise Sagan, denkt man an endlose Partys, Alkohol und Drogen, aber auch an unbezwingbare Lebensgier und ihr beinahe selbstzerstörerischer Drang nach Freiheit. Sie liebte schnelle Autos und Kasinos, ertrug Bewährungsstrafen wegen Kokainkonsums und Steuerhinterziehung und verschuldete sich schließlich so sehr, dass sie ihr Anwesen in Honfleur verkaufen musste.

Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie in ihrer alten Villa, die von der Witwe eines ihrer Freunde gekauft worden war, starb schließlich verarmt mit nur 69 Jahren an einer Lungenembolie.

Von ihrer eigenen Kunst war sie niemals überzeugt und trotzdem waren die Drogen für sie nicht Ansporn für Romane, sie wusste selbst, dass sie auch ohne das alles schreiben könnte, sie nahm aus purer Lust und weil sie über sich selbst bestimmen wollte.
Der französische Literaturpreisträger François Mauriac nannte sie ein „kleines, charmantes Monster“.

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Bücher sind eigentlich eine tolle Sache. Finde ich zumindest. Gerade im Unterricht gibt es nichts Schöneres; Bücher sind greifbar, vermitteln Wissen, sind spielerisch und zugleich sehr vernünftig, man lernt im Normalfall ungemein viel und wenn man schon nicht jede Stunde einen Film gucken kann, dann sind Bücher eben die von den Schülern am liebsten gesehene Alternative.
Aber welche Bücher liest man heute, welche Bedeutung haben Bücher überhaupt noch? Hier ein paar Überlegungen aus den Französisch-Stunden:

Ging es im Französisch-Unterricht in den ersten drei oder vier Jahren noch hauptsächlich darum, Grammatik und Vokabeln zu lernen, steht im weiteren Verlauf eher das Sprachgefühl an und außerdem muss man Frankreich kennen lernen und dazu gehört selbstverständlich die Kultur. Naheliegend, dass da das ein oder andere Buch gelesen wird.
In meinem Kurs haben wir angefangen mit dem Klassiker, Saint-Exupérys wundervollem „Der Kleine Prinz“, dicht gefolgt von Lelords „Le voyage d‘Hector ou la recherche du bonheur“ (auf deutsch „Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück“) , wahrscheinlich wegen ähnlicher, inhaltlicher Aspekte. Im letzten Jahr nahmen wir am sogenannten „Prix des Lycéens allemands“ teil, einem von deutschen Schülern an französische Jugendbücher verliehenen Preis. Dafür lasen wir keine besonders prickelnden Bücher, vielleicht komme ich in einem späteren Artikel darauf zurück. Zudem beschäftigten wir uns mit Anna Gavalda, einer, wie ich finde, fürchterlichen Autorin, falls ich das anmerken darf, schnitten kurz verschiedenste, französische Autoren an, unter anderem Francoise Sagan, über die ich sicher noch einmal schreiben werde. Jedenfalls…

Vor einigen Wochen begannen wir mit einem neuen Thema, einem Buch, das auch der Hauptaspekt für unsere Klausur werden sollte: Albert Camus „L’étranger“ – Der Fremde.
Die Geschichte erzählt von einem Mann in Algerien, Meursault, der nicht nur seiner Umgebung, sondern auch dem Leser fremd ist und bleibt. Meursault lässt sich weder positiv, noch negativ beschreiben, er ist einfach nichts, er spricht nicht, wenn er nichts zu sagen hat, er mag kaum etwas und hasst noch viel weniger, hat nur wenige, oberflächliche soziale Kontakte und im Prinzip ist ihm alles egal. Er lebt jeden Tag mehr oder weniger gleich und verabscheut Abwechslung, auch wenn er das so nicht direkt sagt und als seine Freundin ihn fragt, ob die beiden nicht heiraten wollten, ist ihm das so gleich wie das Angebot seines Chefs, ihm einen guten Job ihn Paris zu verschaffen. Alles läuft und zwar offensichtlich ziemlich gut, man könnte sich vorstellen, dass Meursault es schafft, sein ganzes Leben so zu konzipieren und dass er damit nicht einmal unglücklich ist. Bis zu dem einen Tag, an dem Meursault aus verschiedensten Gründen und komischer Weise beinahe aus Zufall einen Araber erschießt. Von nun an verändert sich alles…
Zuerst scheint es, als sei Meursaults Fall im Algerien der 30er Jahre nichts Besonderes, ein Bagatelldelikt, das bald vom Tisch sein wird. Aber die Sache steigert sich, entwickelt etwas wie ein eigenes Leben und bald geht es in den Untersuchungen mehr um die Einstellung Meursaults zur Religion (und die ist ihm (Überraschung!) egal…) und darum, dass ihn bei der Beerdigung seiner Mutter einige Zeit vor dem Mord niemand weinen sah, als um den eigentlichen Fall. Als Sündenbock für eine zerrüttete Gesellschaft wird Meursault schließlich zum Tode verurteilt in einer Verhandlung die ihm, dem Angeklagten Meursault kaum weniger Interesse entlocken könnte.
Erst später, in seiner Zelle, beginnt der Verurteilte sich mit der Sache auseinander zu setzen. Zuerst setzt er seine Hoffnungen in die Berufung, schmiedet wahnsinnige Fluchtpläne und hofft auf Unmöglichkeiten. Nach und nach findet er sich mit seinem Schicksal ab, schwört ein letztes Mal allen Göttern ab und wünscht sich nur noch eins: „[…] am Tag meiner Hinrichtung viele Zuschauer, die mich mit Schreien des Hasses empfangen […]“

Camus packt in diese ursprünglich politisch motivierte und autobiographisch gespickte Erzählung seine eigene Philosophie, die Philosophie des Absurden. Diese geht davon aus, der nach Sinn suchende Mensch lebe in einer sinnleeren Welt. Diesen Widerspruch gilt es zu erkennen, das Schicksal als den Menschen allein vorbehalten anzuerkennen. Bezeichnend dafür auch Camus „Der Mythos von Sisyphos“ (frz. „Le mythe de Sisyphe“). Das Schicksal sei eine Angelegenheit der Menschen und müsse unter ihnen geregelt werden, heißt es darin. Jeder sei der Herr seiner Zeit und dieses zukünftige Universum ohne Gott erscheine weder steril noch wertlos. Der Mythos, der vom von den Göttern bestraften Sisyphos handelt, der jeden Tag Steine auf einen Berg rollen muss, die allerdings immer wieder nach unten rollen, endet damit, dass Sisyphos die Existenz der Götter verneint und erkennt, dass es sein Schicksal ist, Steine zu rollen und dass er alles andere trotzdem eigenmächtig entscheiden kann. „Der Kampf selbst gegen die Steine reicht aus, um das Herz eines Menschen auszufüllen. Man muss sich Sisyphos glücklich vorstellen.“

Diese Erzählungen sind übrigens schon 70 Jahre alt, wie zumindest meinem Französisch-Lehrer heute auffiel. Ihm fiel damit ebenso auf, wie alt er ist, aber das ist wieder eine andere Geschichte. Fakt ist, und das ist meinem Lehrer gleich danach aufgefallen, dass man junge Menschen heute kaum noch mit solchen Texten begeistern kann, dass sie das auch ganz anders aufnehmen, behandeln.
Er, in der DDR geboren und aufgewachsen, hat noch was erlebt, falls man das so formulieren kann, wir hingegen nicht. Wir können nichts anfangen mit Literatur die beispielsweise die Schrecken von totalitären Systemen beschreibt, weil wir bereits zweitausend Mal gehört haben, dass das nicht gut ist, schrecklich, fürchterlich, aber wir können es uns nicht vorstellen, wir hören es immer und immer wieder und irgendwann verlieren selbst diese Worte an Bedeutung. Wir verstehen es nicht richtig, wenn Kämpfe zwischen Bevölkerungsgruppen toben und Minderheiten um Rechte kämpfen müssen, wie es zum Beispiel bei „L’étranger“ behandelt wird. Wir wissen, wie das abgelaufen ist und noch immer in Teilen der Welt abläuft, dennoch: Egal wie aufgeklärt wir darüber sind und wie schlimm wir uns aufregen, wirklich vorstellen können wir uns das nicht, nichts, rein gar nichts.
Früher war es möglich, sich über Literatur nächte-, tage- und monate-, ja sogar jahrelang zu streiten, heute kann einem ein Buch gefallen oder eben nicht. Den großen, angesehenen und anerkannten Literaten schmeißt man zwar noch immer Preise hinterher, ich spreche von Günther Grass und anderen, wirklich mögen oder wenigstens kennen und damit auseinandersetzen tut sich allerdings keiner mehr, keiner der Älteren und erst recht niemand der jungen Generation. Und vor allem liefert niemand mehr Nachschub, Nachschub an großartiger, provokanter Literatur, einmal abgesehen von Schockern wie Charlotte Roches „Feuchtgebiete“, das allerdings auf anderen Ebenen provoziert…

Damit will und kann ich keinen anklagen, weil ich erstens selbst zu dieser Generation gehöre, der Generation der „U-Literatur“, wie es heute jemand formulierte, der Generation der Unterhaltungsliteratur und zweitens, weil es tatsächlich so ist, dass niemand mehr diskutieren möchte, worüber auch? Die großen Fragen sind weitestgehend geklärt und wir hier in Deutschland haben große, ich möchte größtmögliche Freiheit sagen. Die Politik langweilt, irritiert und bringt keine Ergebnisse, aber es ist ja doch nicht so schlimm, als ob man sich auflehnen müsste, einfach machen lassen und abwarten, oder was?! Den zweiten Biedermeier nannte unsere Zeit jemand und im Prinzip hat er recht. Wenn sich mal jemand, gerade in meinem Alter, für Politik engagiert und seine Meinung vertritt, wird er gleich belächelt und verspottet, niemand nimmt ihn ernst, niemand nimmt noch Politik ernst. Niemand oder sagen wir kaum jemand nimmt Religion ernst, jeder hat so seine eigene Auffassung, eine Mischung aus Religion, Atheismus, Fernsehmeinung und eingebildetem oder vielleicht manchmal sogar halbwegs wahrem Individualismus.

Und wenn heute mal Bücher im Unterricht gelesen werden, dann sind sie eine willkommene Abwechslung, besonders, da sie Gruppenarbeit versprechen, aufregendere Sachen als Frontalunterricht und ja, man diskutiert auch mal mit, aber seien wir mal ehrlich: wirklich zu Herzen nimmt sich schulische Lektüre heute keiner mehr und ich habe noch von keinem Schüler einmal ehrlich und in Entfernung zu Lehrern gehört, er hätte aus einem dieser Bücher tatsächlich etwas gelernt oder fürs Leben mitgenommen.

Würde Camus für einen Tag aus dem Grab aufsteigen, er wäre jetzt wahrscheinlich der Fremde in einer ihm völlig unverständlichen Welt und er wäre es, aus dem niemand mehr schlau wird. Es mag einige Künstler geben, denen es ähnlich ergehen würde…

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„… Die sind die  Auserwählten, denen schöne Dinge einzig Schönheit bedeuten.
So etwas wie ein moralisches oder ein unmoralisches Buch gibt es nicht. Bücher sind gut geschrieben oder schlecht geschrieben, weiter nichts! …“

Vor einigen Tagen oder wahrscheinlich sind es mittlerweile schon Wochen, las ich oben zitiertes Buch. Seitdem geht es mir nicht mehr aus dem Kopf, ich kann es nicht zurück in den Schrank stellen, weil ich ständig wieder darin blättere und Textstellen nachlese, ich trage es andauernd mit mir rum. Ich muss zugeben, ich ging ohne viel Enthusiasmus an die Sache ran; wie überrascht wurde ich doch! Ohne zu übertreiben muss ich sagen, dass dieses Buch alles verändert hat und es wäre zu wenig, wenn ich einfach nur sagte, es sei nun mein Lieblingsbuch. Was es natürlich ist. Die Rede ist selbstverständlich von Oscar Wildes „Das Bildnis des Dorian Gray“.

Der Ausgangspunkt der Geschichte ist schnell erzählt: Der Maler Basil Hallward malt in Anwesenheit eines Freundes, Lord Henry Wotton, ein Porträt des wunderschönen, jungen und tugendhaften Dorian Gray. Als der Junge sein Bildnis sieht und ihm klar wird, wie schön er eigentlich ist und dass dieses Bild seine Schönheit immer behalten wird, bittet er in seiner Verzweiflung darum, das Bild möge an seiner statt altern…

Die einfach erscheinende Geschichte setzt sich in fesselnder Weise mit allen Fragen des Menschseins auseinander und Wilde schreibt jede Seite, jeden Satz mit der eindrucksvollen Eleganz und Schönheit, die vielen Schriftstellern fehlt. Gegen Ende wird der Roman zwar etwas langatmig, trotzdem ist es schwer, ihn aus der Hand zu legen, man weiß ja nie, was man verpasst… Und in Anbetracht dessen, dass man sich niemals genau entscheiden kann, mit wem man nun letztlich sympathisiert, wer die besten, klügsten Ansichten hat und wie es im wirklichen Leben abläuft, wird man dieses Buch noch oft lesen. Irgendwo findet man sich in jedem der Charaktere wieder und irgendwie ist man sich noch lange nach der letzten Seite unschlüssig, was nun wirklich die Wahrheit ist. Somit ist das Buch für Leute, die gern philosophieren, nachdenken und die von der Gesellschaft aufgestellten Sitten und Tugenden hinterfragen, ja, die im Grunde alles hinterfragen, genau das Richtige, ein unbedingtes Muss.

Schon im Vorwort setzt sich Wilde mit der Rolle und der Bedeutung der Kunst auseinander, „Kein Künstler will etwas beweisen. Selbst Wahrheiten können bewiesen werden“, heißt es dort zum Beispiel oder „Alle Kunst ist zugleich Oberfläche und Symbol“. Wer mit diesen Sätzen nichts anfangen kann, wird auch dieses Buch nicht lieben, wer sich angesprochen und verstanden fühlt, wird nie wieder ein anderes Buch lesen und so sehr bewundern können wie dieses.

Und noch ein letztes: Der Maler Basil Hallward, die tugendhafte, aber langweilige Figur, sagt zu Beginn des Buches etwas, dass mich sehr berührt, obwohl es im Prinzip nichts Weltbewegendes aussagt, dass allerdings genau ausdrückt, was ich denke und ich bin froh, es in einem solchen Werk wiederzufinden.  Hallward, als der sich Wilde übrigens am ehesten sah, sagt:  „Wir leben in einer Zeit, in der die Menschen die Kunst behandeln, als ob sie dazu bestimmt wäre, eine Art Selbstbiografie zu sein. Wir haben den Sinn für absolute Schönheit verloren.“

Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Einen wunderschönen Abend noch und die beste Empfehlung, einmal selbst Dorian Gray kennenzulernen, weil es ganz sicher niemandem schadet…

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