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Posts Tagged ‘Der Alchimist’

„… Die sind die  Auserwählten, denen schöne Dinge einzig Schönheit bedeuten.
So etwas wie ein moralisches oder ein unmoralisches Buch gibt es nicht. Bücher sind gut geschrieben oder schlecht geschrieben, weiter nichts! …“

Vor einigen Tagen oder wahrscheinlich sind es mittlerweile schon Wochen, las ich oben zitiertes Buch. Seitdem geht es mir nicht mehr aus dem Kopf, ich kann es nicht zurück in den Schrank stellen, weil ich ständig wieder darin blättere und Textstellen nachlese, ich trage es andauernd mit mir rum. Ich muss zugeben, ich ging ohne viel Enthusiasmus an die Sache ran; wie überrascht wurde ich doch! Ohne zu übertreiben muss ich sagen, dass dieses Buch alles verändert hat und es wäre zu wenig, wenn ich einfach nur sagte, es sei nun mein Lieblingsbuch. Was es natürlich ist. Die Rede ist selbstverständlich von Oscar Wildes „Das Bildnis des Dorian Gray“.

Der Ausgangspunkt der Geschichte ist schnell erzählt: Der Maler Basil Hallward malt in Anwesenheit eines Freundes, Lord Henry Wotton, ein Porträt des wunderschönen, jungen und tugendhaften Dorian Gray. Als der Junge sein Bildnis sieht und ihm klar wird, wie schön er eigentlich ist und dass dieses Bild seine Schönheit immer behalten wird, bittet er in seiner Verzweiflung darum, das Bild möge an seiner statt altern…

Die einfach erscheinende Geschichte setzt sich in fesselnder Weise mit allen Fragen des Menschseins auseinander und Wilde schreibt jede Seite, jeden Satz mit der eindrucksvollen Eleganz und Schönheit, die vielen Schriftstellern fehlt. Gegen Ende wird der Roman zwar etwas langatmig, trotzdem ist es schwer, ihn aus der Hand zu legen, man weiß ja nie, was man verpasst… Und in Anbetracht dessen, dass man sich niemals genau entscheiden kann, mit wem man nun letztlich sympathisiert, wer die besten, klügsten Ansichten hat und wie es im wirklichen Leben abläuft, wird man dieses Buch noch oft lesen. Irgendwo findet man sich in jedem der Charaktere wieder und irgendwie ist man sich noch lange nach der letzten Seite unschlüssig, was nun wirklich die Wahrheit ist. Somit ist das Buch für Leute, die gern philosophieren, nachdenken und die von der Gesellschaft aufgestellten Sitten und Tugenden hinterfragen, ja, die im Grunde alles hinterfragen, genau das Richtige, ein unbedingtes Muss.

Schon im Vorwort setzt sich Wilde mit der Rolle und der Bedeutung der Kunst auseinander, „Kein Künstler will etwas beweisen. Selbst Wahrheiten können bewiesen werden“, heißt es dort zum Beispiel oder „Alle Kunst ist zugleich Oberfläche und Symbol“. Wer mit diesen Sätzen nichts anfangen kann, wird auch dieses Buch nicht lieben, wer sich angesprochen und verstanden fühlt, wird nie wieder ein anderes Buch lesen und so sehr bewundern können wie dieses.

Und noch ein letztes: Der Maler Basil Hallward, die tugendhafte, aber langweilige Figur, sagt zu Beginn des Buches etwas, dass mich sehr berührt, obwohl es im Prinzip nichts Weltbewegendes aussagt, dass allerdings genau ausdrückt, was ich denke und ich bin froh, es in einem solchen Werk wiederzufinden.  Hallward, als der sich Wilde übrigens am ehesten sah, sagt:  „Wir leben in einer Zeit, in der die Menschen die Kunst behandeln, als ob sie dazu bestimmt wäre, eine Art Selbstbiografie zu sein. Wir haben den Sinn für absolute Schönheit verloren.“

Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Einen wunderschönen Abend noch und die beste Empfehlung, einmal selbst Dorian Gray kennenzulernen, weil es ganz sicher niemandem schadet…

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Der Alchimist nahm ein Buch zur Hand, das jemand, der mit der Karawane gekommen war, mitgebracht hatte. Das Buch hatte keinen Einband, dennoch konnte er den Autor ausmachen: Oscar Wilde. Beim Durchblättern fand er eine Geschichte über Narziß. Natürlich war dem Alchimisten die Sage des schönen Jünglings Narziß bekannt, der jeden Tag seine Schönheit im Spiegelbild eines Teiches bewunderte. Er war so von sich fasziniert, daß er eines Tages das Gleichgewicht verlor und ertrank. An jener Stelle wuchs am Ufer eine Blume, die den Namen Narzisse erhielt.  Doch Oscar Wilde beendete seine Geschichte anders. Er erzählt, daß nach dem Tod des Jünglings Oreaden erschienen, Waldfeen, die statt eines Teichs mit süßem Wasser einen Tümpel voll salziger Tränen vorfanden.
„Warum weinst du?“, fragten die Feen.
„Ich trauere um Narziß“, antwortete der Teich.
„Oh, das überrascht uns nicht, denn obwohl wie alle hinter ihm herliefen, warst du doch der einzige, der seine betörende Schönheit aus nächster Nähe betrachten konnte.“
„War Narziß denn so schön?“, verwunderte sich der See.
„Wer könnte das besser wissen als du?“, antworteten die Waldfeen überrascht. „Schließlich hat er sich täglich über dein Ufer gebeugt, um sich zu spiegeln.“
Daraufhin schwiegt der See eine Weile. Dann sagte er: „Zwar weine ich um Narziß, aber daß er so schön war, hatte ich nie bemerkt. Ich weine um ihn, weil sich jedesmal, wenn er sich über meine Wasser beugte, meine eigene Schönheit in seinen Augen widerspiegelte.“

„Was für eine schöne Geschichte“, sagte der Alchimist.

Spätestens jetzt hatte er mich. Paulo Coelho brauchte nicht einmal zwei Seiten, um mich vollkommen und unwiderruflich von sich zu überzeugen. Und zwei Seiten genügten ebenfalls, um mich zum Nachdenken anzuregen. Bedeutete das also, dass Narziss sich, selbstlos und edel, jeden Tag bloß aus diesem einen Grund über den See gebeugt hatte, um dem See dessen eigene, innere Schönheit zu beweisen? Oder waren beide mit Egoismus und Blindheit geschlagen, unfähig, mehr als die eigene Schönheit wahrzunehmen und waren sich deswegen so wichtig geworden, weil sie beide selbstverliebt genug dazu waren? Oder hatte Narziss dem armen, eigentlich unscheinbaren Teich dessen Schönheit gezeigt, diesem, der durch mehr als das Aussehen schön wurde?  War Narziss selbst insgeheim schön durch seine Werte?

Paulo Coelhos „Der Alchimist“, das Buch, das 1988 erschien und wohl den Weltruhm des Autors begründet, gehört zu dessen erfolgreichsten Büchern überhaupt. Die Geschichte, Gleichnis und Märchen in einem, handelt von dem mittellosen Hirten Santiago, dessen Eltern ursprünglich einen Geistlichen aus ihm machen wollten. Nachdem er mehrere Male hintereinander den selben Traum hat, macht Santiago sich auf den Weg zu den Pyramiden, um dort einen Schatz zu finden, den Schatz, von dem er mehrmals träumte.

Coelho nutzt dabei diese eher einfache Geschichte, um den Leser mit alchimistischen Studien vertraut zu machen und natürlich, um ihm Coelhos eigene Weltanschauung näher zu bringen. „Der Alchimist“ ermöglichte es seinem Autoren endlich, den lange gehegten Traum zu verwirklichen, selbst Schriftsteller zu werden und „[…]wenn du etwas ganz fest willst, dann wird das gesamte Universum dazu beitragen, daß du es auch erreichst.“ (S.29). Wie recht er doch offenbar hat…

Dieses Buch ist eines der Bücher, die man nie mehr vergisst. Die Handlung ist nicht so fesselnd, als dass man das Buch nicht aus der Hand legen könnte, aber es ist einfach geschrieben, leicht verständlich und strotz nur so vor Weisheiten, die einen wirklich zum Nachdenken anregen.
„Das Schlechte ist nicht, was in den Mund hineinkommt, sondern was herauskommt.“, heißt es dort zum Beispiel.

Obwohl der Text leicht verständlich ist, besticht Coelhos Sprache durch einen fast überirdischen Charme. „Der Alchimist“ ist viel mehr als nur ein Buch, insofern irgendeins überhaupt „nur ein Buch“ sein kann. „Der Alchimist“ versprüht mit jeder Zeile, mit jedem Wort Hoffnung und Zuversicht und erweckt außerdem eine unbändige Reiselust, die Lust, jeden einzelnen Winkel dieser Erde selbst kennenzulernen.
Lässt sich schlussendlich bloß noch sagen, dass dieses Buch für die Leute, die von sich meinen, schon das Allerbeste gefunden und gemacht zu haben, unnötig ist. Allen Träumern auf dieser Welt jedoch bietet das Buch eine wundervolle Grundlage für das Leben und den Weltverbesserern einen neuen Anreiz, die Hoffnung, doch noch etwas schaffen zu können.
Paulo Coelho liegt damit richtig, dass die meisten Menschen nicht an Schätze glauben. Mit seinem Buch hat er der Menschheit jedoch einen echten, großen Schatz geschenkt und es bleibt zu hoffen, dass dieses Buch niemals in Vergessenheit gerät…

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