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Posts Tagged ‘Schöne neue Welt’

Dieses fiktive Interview mit Dr. Philipp Jakob Siebenpfeiffer führte ich für den Geschichtsunterricht. Aufgabe war es, eine bedeutende Person des Vormärz zu befragen. Siebenpfeiffer trat für eine Demokratie in Deutschland und eine Entmachtung der Fürsten ein und lehnte sich damit gegen das bestehende Obrigkeitssystem auf.

Herr Dr. Philipp Jakob Siebenpfeiffer ist zur Zeit ein Professor an der Universität in Bern (Schweiz). Ich konnte mich mit ihm in seinem Haus in der Schweiz im Jahre 1841 treffen und interviewen.

Reporter: Zuerst möchte ich Ihnen danken, dass ich heute hier sein und Sie interviewen darf, Herr Dr. Siebenpfeiffer.

Siebenpfeiffer: Das ist doch nicht der Rede wert!

Reporter: OK. Dann kommen wir doch gleich mal zur Sache. Bitte erzählen Sie mir etwas über sich, sodass sich unsere Leser ein Bild von Ihnen machen können!

Siebenpfeiffer: Ja, natürlich. Alles begann im Jahre 1789 in Lahr (Baden). Dort wurde ich geboren. Mein Vater war Schneider und meine Mutter Hausfrau. Wir waren nicht sehr reich, jedoch strengte ich mich sehr an, um schließlich als Schreiber arbeiten zu können. Das Geld, das ich während dieser Zeit meines Lebens erarbeitet habe, sparte ich. Ich sparte so lang, bis ich mir endlich mein Jurastudium an der Universität in Freiburg leisten konnte. Dies war im Jahre 1810. Nachdem ich mein Examen und meine Doktorprüfung erfolgreich bestanden hatte, wollte ich die wissenschaftliche Bahn einschlagen. Dieser Wunsch scheiterte, denn Professoren werden ja nicht bezahlt. Ich musste  Geld erwirtschaften und einer Arbeit nachgehen, also ging ich nach Österreich und bekam einen Job im Verwaltungsdienst. 1814 wollte ich für die Freiheit kämpfen und trat als Freiwilliger im Kampf gegen Napoleon ein. Ich hasse diesen Kerl!!! Als ich 29 Jahre alt war, sollte ich die Leitung des Landkommissariats in Homburg übernehmen. Als ich pensioniert wurde, hatte ich eine Zeitschrift über Politik herausgebracht. Dies war schon immer mein Traum! Leider musste ich aus Geldmangel meine Druckerei dicht machen. Dann konnte ich an einem der größten Ereignisse meiner Zeit teilnehmen: dem Hambacher Fest! Ich fand es sehr gut, dass jeder sagen konnte, was er schon immer mal fordern wollte. Wegen Beamtenbeleidigung sollte ich für zwei Jahre ins Gefängnis gehen, doch ich ging nicht, denn ich floh in die Schweiz und startete ein neues Leben an der Universität in Bern. Dort bin ich bis heute Professor in Staatswissenschaften.

Reporter: Das war sehr ausführlich! Aber ich habe doch noch weitere Fragen an Sie. Sie gehörten zu den Leuten, die die Fürsten vollständig entmachten wollten. Wieso?

Siebenpfeiffer: Ich denke, es würden alle Menschen besser in einem freien Staat leben bzw. in einer Republik. Unsere Monarchen sollten am besten nur noch kulturelle Figuren sein, und nichts mit Politik oder anderen wichtigen Dingen zu tun haben!

Reporter: Denken Sie, dass es die Deutschen eines Tages schaffen werden, eine echte Republik zu bilden?

Siebenpfeiffer: Ich denke schon, da das Volk in Revolutionslaune ist, und sie nach Freiheit suchen. Ich denke, sie werden diese auch bekommen. Die Frage ist jedoch wann und nicht ob.

Reporter:  Sie waren für eine Zeit lang Journalist bei Ihrer eigenen politischen Zeitung. Wie kamen Sie darauf, Journalist zu werden? Und was wollten Sie damit bezwecken?

Siebenpfeiffer: Die Zeitung ist das, was alle Leute erreichen kann. Egal wie reich, alt oder in welcher gesellschaftlichen Ebene sie sind. Ich wollte allen Menschen meine Meinung sagen und hoffte, sie würden sie teilen bzw. akzeptieren. Ich dachte mir, ich könnte die Leute beeinflussen und ihnen Mut geben, etwas zu sagen.

Reporter: Haben Sie es geschafft und den Menschen Mut gegeben?

Siebenpfeiffer: Ich denke, dass es viele Faktoren gibt, die den Menschen Mut geben und die zu einem demokratischen Staat führen könnten. Und ich bin einer davon.

Reporter: Ich bedanke mich bei ihnen für das Gespräch, Herr Dr. Siebenpfeiffer.

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„Die gefährlichsten Krankheiten sind die, die uns glauben machen, es ginge uns gut.“
So lautet er, der zweiundvierzigste Spruch im ‚Book of Shhh‘ oder, zu deutsch, im Handbuch für Sicherheit, Gesundheit und Glück.

Die schlimmste dieser Krankheiten ist natürlich Amor Deliria Nervosa, die Liebe. Deshalb scheint es so ein riesiges Glück, dass es vor einigen Jahren einer Gruppe von Wissenschaftlern gelang, eine Lösung zu finden, ein Heilmittel gegen die Liebe.

Dieser Heilung, einer Operation, unter Narkose ausgeführt, bei der die Liebe und damit alle Empfindungen mit ein paar Schnitten aus dem Gehirn entfernt werden, muss sich jeder US-Staatsbürger mit 18 Jahren unterziehen. Zuvor wird er einer Prüfung unterzogen und schließlich mit dem individuell passenden Partner verkuppelt. Sicherheit, Wohlstand und Fortbestehen der Nation sind damit gesichert, die Kriminalitätsrate liegt bei fast null und jeder erhält das Recht, auf ganz einfache Weise glücklich und ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft zu sein.

Kein Wunder, dass Lena, die Hauptperson in Lauren Olivers „Delirium – What if love were a disease?“, sich ihre Heilung seit sie denken kann herbeisehnt wie nichts anderes auf der Welt. Normal sein, das ist alles, was sie möchte – und bei der Vergangenheit auch kein Wunder…

Lenas Vater verschwand spurlos, als sie selbst noch ein kleines Kind war. Ihre Mutter, zutiefst infiziert mit der Deliria, nimmt sich das Leben und hinterlässt Lena und deren ältere Schwester Rachel, die zur Tante Carol abgeschoben werden. Fortan wird Lenas Leben geprägt von der ständigen Abneigung und Verachtung ihrer Mitmenschen, da sie die Tochter einer Infizierten und damit beinahe selbst eine Ausgestoßene ist…

Olivers Roman „Delirium“ beginnt schleppend und doch nicht ohne Potenzial. Die Autorin zeichnet das verstörende Bild einer Welt ohne Liebe, einer Welt, in der Jugendlichen die Zukunft verbaut wird, weil sie Rot oder Grau als Lieblingsfarbe angeben und nicht etwa Blau und Grün oder weil sie „Romeo und Julia“ mögen, weil es Kunst ist und nicht für die detailgetreue Darstellung der Gefahren der Liebe. Dennoch verläuft sich dieses Potenzial ziemlich schnell in eine altbackene und vorhersehbare Liebesgeschichte…

Denn wer hätte das bitte erwartet?! Die so konforme Lena kommt durch ihre beste Freundin Hana in Kontakt mit dem Widerstand. Natürlich in ganz kleinen Schritten, damit die Entwicklung Lenas auch gut nachvollziehbar erscheint: Man bricht beim Rennen mehr aus Mitläuferschaft in ein Gelände des Staats ein, man besucht ein verbotenes Konzert, um der Freundin zu zeigen, dass man doch kein Feigling ist und zack, wer hätte das nun wieder gedacht? Die ach so brave Lena lernt einen Jungen kennen – obwohl der Kontakt zwischen Mädchen und Jungen vor der Heilung in dieser Zukunftsversion unserer Welt natürlich strengstens verboten ist, verliebt sich in ihn und wird plötzlich zur größten Gegnerin des Systems.

Würde Frau Oliver diese Liebesgeschichte nur als Aufhänger benutzen – man könnte es ihr verzeihen. Denn sind wir mal ehrlich, so ganz ohne Liebe und Drama geht es dann doch nicht und wenn sie uns schon das fürchterliche Bild einer Welt ohne Liebe aufdrückt, wollen wir nebenbei gerne noch ein wenig Herzschmerz geliefert bekommen.

Das Problem an der Sache ist nur, dass „Delirium“ sich in dieser Liebesgeschichte verliert, dass die Dystopie irgendwo verloren geht – in den seitenlangen Beschreibungen von den wundervollen Sommernachmittagen von Lena und Alex und in Lenas so philosophischen Gedanken über die Welt und das Leben – ganz so bahnbrechend sind die nämlich auch nicht – und in der wahnwitzigen Einfachheit, mit der Lena und ihr Alex sich durch den Sommer navigieren, obwohl diese Art von Kontakt strengstens verboten ist.

Damit zieht sich die Geschichte von „Delirium“ in die Länge wie ein altes Kaugummi, ist im Übrigen genauso spannend und obwohl man eigentlich genau weiß, wie alles enden wird, liest man bis zum Schluss – man will den Glauben an die Menschheit ja doch nicht aufgeben. Sollte man vielleicht, denn „Delirium“ endet genauso wie unzählige vor ihm – in einer melodramatischen und wahnsinnig unrealistischen Verfolgungsjagd mit blutigem, herzzereißendem Ende und einer philosophischen Lena, die so richtig Lust auf den nächsten Band in der Trilogie macht.

Lesen werde ich den vermutlich trotzdem, immerhin bietet dieses Buch und die darin entwickelte Welt ein großes Potenzial und auch nach fast 400 Seiten glaube ich an das Können von Frau Oliver. Und falls der zweite Band, wie so oft, schlechter wird – na dann hab ich wieder was zum Aufregen. Gott sei Dank lebe ich in einer Welt, in der man sich wenigstens noch aufregen darf 🙂

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Utopische Literatur befasst sich mit unrealisierbaren, gesellschaftlichen Zielen und Wunschvorstellungen. Man zeigt die Welt, das Leben, die Menschen und die Gesellschaft so, wie sie sein sollten, es aber nie sein werden.
Aber auch das Gegenteil ist möglich, die Darstellung von nur scheinbar perfekten Welten.

„Heutzutage ist kaum etwas realistischer als Utopien“, sagte Thornton Wilder einmal und tatsächlich zeigen die beiden folgenden Romane in eindrucksvoller Weise, dass das, was unerreichbar und unrealistisch wirkt, faktisch schneller als erwartet verwirklicht werden kann. Obwohl sich (bis jetzt) weder Orwells, noch Huxleys Vorstellungen komplett erfüllt haben, steht außer Frage, dass beide in der heutigen Welt perplex wären…

1984

George Orwell stellt in seinem dystopischen Roman einen zukünftigen, totalitären Überwachungsstaat dar. Geschrieben in 1948, ist der Titel des Romans die Umkehrung dieser Jahreszahl, „1984“. Heute schon längst Vergangenheit, schien 1984 zum Zeitpunkt des Erscheinens als ferne, ungreifbare Zukunft.

Die Gesellschaft und das Leben in ihr werden beschrieben durch den Protagonisten Winston Smith. Smith lebt in London, das in 1984 zum Weltreich Ozeanien gehört, denn zu dieser Zeit ist die Welt in drei Supermächte aufgeteilt, Ozeanien, Eurasien und Ostasien. Die ersten einhundert Seiten verfolgt der Leser Smith bei seinem unheimlichen Leben, das geprägt ist von Mangelerscheinungen, fortwährender Überwachung und immerwährender Angst. Smith, ein gebrechlicher, intelligenter, aber seinem Schicksal scheinbar ergebener Mann Ende 30, glaubt nicht mehr an das System, sieht allerdings auch keine Möglichkeit, etwas daran zu verändern.  Er ist künstlerisch veranlagt und schließt seine Gedanken in einem Tagebuch ein. Dieses Tagebuch könnte ihm zum Verhängnis werden, dem ist sich Smith bewusst und er schwankt zwischen der Furcht, entdeckt und von der Gedankenpolizei liquidiert zu werden und dem Bedürfnis, überhaupt etwas zu tun.
Man begleitet Smith zur Arbeit, wo er im Dienste der Partei, die übrigens die einzige Macht in Ozeanien ist, die Geschichte verfälscht. Schließlich lernt Smith eine junge Frau kennen, Julia.
Smith und Julia treffen sich heimlich und der einst schwächliche Smith blüht durch diese Beziehung auf. Die beiden engagieren sich im Widerstand gegen die Partei, Smith, weil er das System verachtet, Julia eher, weil sie durch die Partei in ihrem eigenen, persönlichen Leben und Glück beeinträchtigt wird. Schließlich treten beide der geheimnisvollen Bruderschaft bei, einer Vereinigung, die die Partei bekämpft. Ein hohes Mitglied der Partei, O’Brien, zeigt sich als vermeintlicher Freund.
Obwohl Winston Smith klar ist, dass sie eines Tages von der Gedankenpolizei festgenommen werden, will er das System bekämpfen. Julia hingegen träumt davon, mit Smith im Untergrund zu bleiben und mit ihm glücklich zu werden. Ihr Widerstand ist persönlicher und sie ist nicht wirklich bereit, ihr Leben zu opfern. Sie glaubt nicht daran, etwas zu verändern. Womit sie schlussendlich recht behält, denn Julia und Smith werden festgenommen und ihre mutmaßlichen Mitstreiter entpuppen sich als Feinde, Mitglieder der Gedankenpolizei…

Mit diesem Roman verurteilt Orwell den Totalitarismus, im Gegensatz zu Huxley nimmt er eher sozialistische Systeme zum Vorbild. Das Buch wurde lange als „Antikommunistische Kampfschrift“ verstanden, was keinesfalls in Orwells Absicht lag. Er wollte gerade zeigen, dass auch die westlichen Länder schneller dem Totalitarismus verfallen können, als ihnen lieb ist.
Den Text versteht man sehr gut, einfach geschrieben,  stellenweise jedoch ziemlich langatmig und insgesamt nicht gerade leicht zu lesen, da die Stimmung des Buches extrem bedrückend und auf eine Art und Weise dunkel ist, die einem die Lust am Lesen nimmt.
Selbstverständlich regt es zum Nachdenken an, die Handlung ist meiner Meinung nach nur wenig fesselnd. Allerdings wurde schon von vielen etwas Gegenteiliges behauptet…
Ich musste das Buch für die Schule lesen und gemessen an den anderen Büchern, die ich zuvor in der Schule gelesen habe,  ist es das Beste, gemessen jedoch an den Büchern, die ich „privat“ gelesen habe, gehört es zu den Schlechtesten. Aber wie gesagt, ich kenne viele, die dieses Buch schon allein dafür verehren, inwiefern Orwell bereits 1948 die Zukunft vorhersagen konnte und ich muss zugeben, dass das Bedrückendste an der Sache ist, dass sich vieles zumindest im Ansatz bewahrheitete. Wahrscheinlich gehört „1984“ zu den Büchern, die man entweder hasst oder liebt, für die es einfach kein Mittelmaß gibt..

„Schöne neue Welt“

Ähnlich dem Werk Orwells ist auch Aldous Huxleys „Schöne neue Welt“ anzusiedeln, im Original „Brave New World“. Schon 1932 erschienen, zeigt dieses Buch eine „perfekte“ Gesellschaft, in der Wohlstand, Frieden und Glück für alle gewährleistet werden. Diese scheinbar fehlerlose Welt wird gestützt durch ein Kastensystem der Menschen, in das alle Menschen von Beginn an eingegliedert werden. Von Beginn an bedeutet hier schon von der Zeit vor der Geburt an, denn die Kinder werden nicht mehr auf natürliche Weise gezeugt, sondern in Laboren erschaffen und dort mittels pränataler Eingriffe auf das Leben in ihrer Kaste vorbereitet. Nach der Geburt wachsen die Kinder weiterhin in den sogenannten „Brut- und Normzentralen“ auf und nicht bei Eltern, was den Sinn verfolgt, die Kinder bis ins Letzte zu konditionieren, sodass sie mit ihrem späteren Leben wunschlos glücklich sind, sich in der Gesellschaft eingliedern und niemals auf den Gedanken kommen, über das Leben, über Kunst, wahre Gefühle und dergleichen nachzudenken. Alles in dieser Welt basiert auf Wissenschaft, auf Technik und dennoch werden beispielsweise Erfindungen, die die Arbeit im hohen Maß erleichtern, unterdrückt, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden und die Menschen weiterhin glücklich zu machen. Es existieren keine Beziehungen, keine Kunst, keine Geschichte, kein wirkliches Leben mehr, man altert nicht, zumindest nicht so, wie wir das kennen, und die im Buch beschriebene Freiheit schränkt sich selbst durch die fehlenden Konsequenzen und Nachteile ein, sodass die Leute eigentlich unfrei sind.
Konkret handelt das Buch von dem „Wilden“ John (dt. Michel), denn in einigen Reservaten leben die sogenannten „Wilden“, die für die anderen Menschen primitiv scheinen, weil sie eine Art Religion verfolgen, bestimmte Rituale haben,  ihre Kinder auf normalem, natürlichem Weg bekommen und schließlich altern und sterben. John wird in die Zivilisation gebracht, die ihn zuerst fasziniert und schließlich abstößt, seine Situation eskaliert immer mehr…

Interessant sind dabei besonders Huxleys Einfälle, die den Leser immer wieder aufs Neue mitreißen. Sein Buch ist eine Warnung, aber im Ganzen nicht so bedrückend und ausweglos wie Orwells „1984“, seine Schilderungen nicht ganz so drastisch.

Beide Bücher sind sich sehr ähnlich. Mir persönlich sagt „Schöne neue Welt“ mehr zu, gerade weil es nicht so dunkel beschrieben ist wie „1984“. Dabei möchte ich „1984“ selbstverständlich in keinster Weise angreifen, denn es steht außer Frage, dass es ein geniales, zukunftsweisendes und immer aktuelles Buch ist, mir nur schlicht und einfach nicht gefällt.

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