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Archive for 13. Oktober 2010

Gedanken zu Praktika

Eine meiner besten Freundinnen macht zurzeit eine schwere Erfahrung durch: Sie ist Praktikantin bei einer Hotelkette.

Angefangen hatte das soo vielversprechend: Meine Freundin, nennen wir sie der Einfachheit halber Lena, träumt schon seit Jahren davon, in die Hotelbranche einzusteigen. Eigentlich seit ich sie kenne und wir kennen uns schon lange. Vor einigen Monaten schrieb sie eifrig Praktikumsbewerbungen und eines Morgens kam sie freudestrahlend auf mich zu und erzählte mir voller Stolz, ein großes, luxuriöses Hotel im Zentrum unserer Stadt habe sie angenommen. Lena war natürlich überglücklich, die erste Einweisung verlief vielversprechend, man versprach ihr Einblicke in sämtliche Bereiche und vor allem, dass sie mit Menschen arbeiten dürfe. Wochenlang schien Lena der glücklichste Mensch auf der Welt zu sein und obwohl sie die Horrorszenarien über Praktika kannte, ließ sie sich nicht abschrecken. Sie kleidete sich komplett neu ein, in schwarz und weiß, wie gefordert und marschierte schließlich voller positiver Erwartungen zum ersten Arbeitstag.
Dazu sollte ich wohl einschieben, dass Lena, obgleich ein ziemlich sensibler, wenn nicht sogar naiver Mensch, nicht mit einer rosaroten Brille an die Sache ran ging: Ja, sie wusste oder konnte sich zumindest sehr wohl denken, dass der Job im Hotel für einen Praktikanten nicht nur Zuckerschlecken sein würde…
Was sie dann erlebte, hätte sie sich trotzdem nie zu träumen gewagt!

Alltag bei den meisten Praktika

Von der ersten Minute an und das jetzt schon seit vielen Tagen, hieß es für Lena nur eins: Klos schrubben. Und zwar rund um die Uhr, angefangen morgens um 6, meistens bis 14 Uhr oder länger, obwohl sie eigentlich nur bis 13 Uhr arbeiten sollte – und alles das ohne Pause. Dazu kommt eine abwertende Behandlung seitens dem Großteil der anderen Angestellten und ständige Überwachung durch ihre „Vorgesetzte“. Ihre Hände sind mittlerweile aufgescheuert und ständig rot und geschwollen, Handschuhe musste sie sich selbst mitbringen.

Dass ein Praktikant auch unbeliebte Arbeiten ausführen muss, ist unbestritten und wird niemals von einem engagierten Praktikanten abgelehnt! Aber diese Ausbeutung, die eigentlich nur das Ziel verfolgt, ungeliebte Arbeiten an ungeliebte Mitarbeiter abzuschieben, scheint mir völlig am Ziel eines Praktikums vorbeigeschrammt.
Wikipedia beispielsweise sagt zur Definition eines Praktikums folgendes:

Der Begriff Praktikum (Plural: Praktika) bezeichnet eine auf eine bestimmte Dauer ausgelegte Vertiefung zuvor erworbener theoretischer Kenntnisse in praktischer Anwendung bzw. das Erlernen neuer Kenntnisse und Fähigkeiten durch praktische Mitarbeit in einer Organisation

Alles, was aus dieser Definition mit der Realität übereinstimmt, ist die Aussage, Praktika seien „auf eine bestimmte Dauer“ ausgelegt. Oder welcher Praktikant muss Tätigkeiten wie Kaffee kochen oder Böden schrubben vertiefen? Wer setzt sich theoretisch mit der Reinigung von Toiletten auseinander, bevor er ein Praktikum macht? Und für wen ist Kopieren eine neu erlernte Kenntnis?!

Meiner Meinung und vor allem meiner Beobachtung nach stehen ein Großteil der heutzutage durchgeführten Praktika in krassem Gegensatz zum edlen Gedanken, der hinter dieser Idee steckt. Sollte es nicht eigentlich darum gehen, einen angestrebten Beruf kennenzulernen? Nützliche Kontakte zu knüpfen? Einblicke zu erhalten? Herauszufinden, ob das wirklich zur individuellen Lebensplanung passt?

Lena für ihren Teil hat ihren Glauben an das Gute in Chefinnen und Mitarbeitern aufgegeben. Die ersten Tage hoffte sie noch verzweifelt auf Besserung, später kettete sie sich an der Illusion fest, es könnte wohl kaum schlechter werden und immerhin hätte sie dann bessere Erfolgsaussichten auf spätere Jobs, jetzt ist ihr mittlerweile alles egal, die Mühe und das Geld, das sie opferte und die Zeit, die ihr verloren ging. Jetzt hadert Lena ernsthaft mit dem Gedanken, ihr Praktikum zu kündigen und diesen Berufswunsch ganz auf Eis zu legen. Und das, obwohl sie seit fünf Jahren in einem kleineren Hotelbetrieb als Aushilfe arbeitet und dabei nur beste Erfahrungen gesammelt hat.

Da sieht man, was Praktika alles kaputt machen können, egal, wer nun eigentlich die Finger im Spiel hatte und wer genau sich diese Behandlung ausgedacht hat! Deswegen sollte man nicht damit anfangen, die Schuld hin und her zu schieben, sondern damit, etwas an der Realität zu verändern!

P.S.: Das heißt übrigens nicht, dass es nur schlechte Praktikumsplätze gibt. Ich selbst machte 2009 ein Praktikum in einer Werkstatt für Geistigbehinderte und kann mich tatsächlich nicht über das Geringste beschweren: Ja, ich musste putzen, aber ja, ich durfte die Leute kennenlernen und mit ihnen arbeiten, ich war den ganzen Tag mittendrin, lernte sämtliche Bereiche kennen und durfte jederzeit nachfragen und auch Kritik äußern. Egal bei wem, egal ob Betreuer oder Beschäftigter, war ich immer gern gesehen und das von der ersten Minute an. Dazu kommt, dass genau darauf geachtet wurde, dass ich Pausen mache und ab und zu durfte ich sogar früher nach Hause.
Daran sieht man, es geht, es klappt, es gibt noch Unternehmen, die Praktikanten ernst nehmen!

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That you remember…

Ich bin verliebt – und zwar in Mando Diaos „Down in the past“, aber bitte die Unplugged-Version.
Mando Diao, die schwedische Band, gegründet in 1999, ist schon seit einiger Zeit meine absolute Lieblingsband. Ich verehre diese Typen und verstehe nicht, wie ich so viele Jahre ohne sie leben konnte. (An dieser Stelle einen riiieesigen Dank an Manni alias Mushroom ohne den ich diese wundervolle Band niemals kennengelernt hätte!)
Und nachdem ich dachte, sie könnten sich nicht mehr steigern, musste ich wieder einmal überrascht werden. Seit jeher eine sehr experimentell veranlagte Gruppe (was leider vielen missfällt) hätte ich noch eher mit einem Album mit Hip Hop-Einflüssen gerechnet und dabei ließ ich diese einfache, aber offensichtlich geniale Lösung völlig außer Acht: Mando Diao nehmen ein Unplugged-Album auf und das in altbekannter, bester Manier.
Jetzt spielen die Radiosender seit einigen Tagen den ersten Vorgeschmack auf das Album rauf und runter und „Down in the past“ klingt noch tausendmal besser, schöner, einzigartiger als je zuvor. Und gerade ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal sagen würde. Es scheint, als wäre Unplugged nur für Mando Diao erfunden worden…

Um auch den letzten Zweifler zu überzeugen, hier das Video in voller Länge:

http://www.viva.tv/musik/artists/mando-diao-208158/videos/down-in-the-past-mtv-unplugged-578393/

Hier findet man den originalen Text, die deutsche Übersetzung ist das:

In der Vergangenheit

So, ich will nicht mit dir rumhängen.
Ich habe meinen Antrieb, Baby, und ich ziehe dich da durch.
Du denkst, ich möchte mit dir allein sein.
Es macht nichts, Baby, weil du überreagierst.

Aber seit du dabei bist,
wo werde ich nur sein?
Es wird mir gut gehen, Mädchen,
ich ziehe mich an für stürmisches Wetter.

Also berühre mich in der Vergangenheit, wo meine Mutter immer bleiben wird.
Und es ist wahr, dass ich da bin für einen Faustschlag und eine Explosion.
Yeah, in der Vergangenheit, wo meine Mutter immer bleiben wird.
Und sie wird sicher gehen, dass du dich erinnerst.

So, ich will nicht mit dir wegschlittern.
Ich habe 10 kleine Soldaten, die auf dich zeigen.
Liebling, du hast mich einfach für einen anderen verlassen.
Es macht nichts, Baby, weil deine Haare auch hässlich sind.

Aber seit du dabei bist,
wo werde ich nur sein?
Es wird mir gut gehen, Mädchen,
ich ziehe mich an für stürmisches Wetter.

Also berühre mich in der Vergangenheit, wo meine Mutter immer bleiben wird.
Und es ist wahr, dass ich da bin für einen Faustschlag und eine Explosion.
Yeah, in der Vergangenheit, wo meine Mutter immer bleiben wird.
Und sie wird sicher gehen, dass du dich erinnerst.

So, ich will nicht mit dir rumhängen.
Ich habe meinen Antrieb, Baby, und ich begleite dich da durch.
Du denkst, ich möchte mit dir allein sein.
Es macht nichts, Baby, weil du überreagierst.

Also berühre mich in der Vergangenheit, wo meine Mutter immer bleiben wird.
Und es ist wahr, dass ich da bin für einen Faustschlag und eine Explosion.
Yeah, in der Vergangenheit, wo meine Mutter immer bleiben wird.
Und sie wird sicher gehen, dass du dich erinnerst.

Dass du dich erinnerst… Komm schon…

Viel Spaß mit dem Text, hoffentlich macht es euch neugierig auf die Band. Ich zähle solange die Tage, bis zum Erscheinen des Albums.

Übrigens – es sind noch 30…

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Eine Filmkritik zu Peter Webbers „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“

Tracy Chevalier, eine US-amerikanische Schriftstellerin mit einer Vorliebe für historische Stoffe, schrieb 1998 in nur 8 Monaten ihr erstes Buch, die Geschichte der Magd Griet, die dem berühmten Maler Jan Vermeer Modell sitzt und als „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ in die Geschichte eingeht. Dieses populärste Werk Vermeers gibt es wirklich, die Geschichte darum ist völlig erfunden, beschaffte Mrs Chevalier 1999 allerdings einen Überraschungserfolg und weltweite Bekanntheit.
Das Buch war so erfolgreich, dass es 2003 verfilmt wurde und zwar von keinem Geringeren als Peter Webber, seines Zeichens Kunsthistoriker. In den Hauptrollen sind Scarlett Johansson als Griet und Colin Firth als Maler Vermeer zu sehen. In weiteren Rollen spielen Tom Wilkinson, Judy Parfitt, Essy Davis und Cillian Murphy.
Die Geschichte ist einfach: Griets Familie steckt in finanziellen Schwierigkeiten, sodass das Mädchen als Magd bei dem Maler und seiner Familie arbeiten muss. Griet interessiert sich für die Malerei und Vermeer, dem das nicht unbemerkt bleibt, weist sie in sein Handwerk ein. Zwischen den beiden entwickelt sich eine scheue Zuneigung, die nur gelegentlich angedeutet wird. Die Situation eskaliert, als Griet dem Maler auf Wunsch eines Kunden Modell sitzen soll und die Ehefrau Vermeers das Mädchen aus Eifersucht hinauswirft.
Der Film ist einfach und die aufwendige Ausstattung überlagert in keinster Weise die Geschichte. Durch die schnellen Szenenwechsel wirkt der Film episodenhaft und die banale Handlung schleppt sich träge durch 95 Minuten Film. Die leider viel zu selten einsetzende Filmmusik sorgt für Lichtblicke, die meiste Zeit allerdings ist der Film seltsam lautlos. Was wahrscheinlich die besondere Stimmung unterstreichen soll, den Zauber, den der Film verspricht, aber kaum erfüllt.

Die Leistung der Schauspieler ist solide. Colin Firth überzeugt als sanfter, zuweilen aufbrausender und nicht unbedingt durchsetzungsfähiger Künstler und war für mich einer der Gründe, den Film überhaupt bis ans Ende zu sehen. Cillian Murphy, zur Abwechslung mit langen, hellbraunen Haaren, spielt gewohnt fabelhaft und verleiht seiner eher unbedeutenden Rolle als Griets Freund einen Charme, der Scarlett Johansson in diesem Film definitiv fehlt. Griet tritt naiv und auf penetrante Weise schüchtern auf, sodass sie schon fast dümmlich wirkt. Das passt oberflächlich zur Rolle, doch verpasst es Johansson in ihrer Darstellung, der Protagonistin etwas Eigenes zu geben. Griet bezaubert den Zuschauer nicht, sondern lässt ihn seltsam kalt und ihr Schicksal wird von Minute zu Minute unwichtiger.

Alles in einem ist „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ großartig, betrachtet als Hommage an die Kunst, aber als Film kein unbedingt sehenswerter Kinogenuss und meiner Meinung nach völlig überwertet.

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