Eine meiner besten Freundinnen macht zurzeit eine schwere Erfahrung durch: Sie ist Praktikantin bei einer Hotelkette.
Angefangen hatte das soo vielversprechend: Meine Freundin, nennen wir sie der Einfachheit halber Lena, träumt schon seit Jahren davon, in die Hotelbranche einzusteigen. Eigentlich seit ich sie kenne und wir kennen uns schon lange. Vor einigen Monaten schrieb sie eifrig Praktikumsbewerbungen und eines Morgens kam sie freudestrahlend auf mich zu und erzählte mir voller Stolz, ein großes, luxuriöses Hotel im Zentrum unserer Stadt habe sie angenommen. Lena war natürlich überglücklich, die erste Einweisung verlief vielversprechend, man versprach ihr Einblicke in sämtliche Bereiche und vor allem, dass sie mit Menschen arbeiten dürfe. Wochenlang schien Lena der glücklichste Mensch auf der Welt zu sein und obwohl sie die Horrorszenarien über Praktika kannte, ließ sie sich nicht abschrecken. Sie kleidete sich komplett neu ein, in schwarz und weiß, wie gefordert und marschierte schließlich voller positiver Erwartungen zum ersten Arbeitstag.
Dazu sollte ich wohl einschieben, dass Lena, obgleich ein ziemlich sensibler, wenn nicht sogar naiver Mensch, nicht mit einer rosaroten Brille an die Sache ran ging: Ja, sie wusste oder konnte sich zumindest sehr wohl denken, dass der Job im Hotel für einen Praktikanten nicht nur Zuckerschlecken sein würde…
Was sie dann erlebte, hätte sie sich trotzdem nie zu träumen gewagt!
Alltag bei den meisten Praktika
Von der ersten Minute an und das jetzt schon seit vielen Tagen, hieß es für Lena nur eins: Klos schrubben. Und zwar rund um die Uhr, angefangen morgens um 6, meistens bis 14 Uhr oder länger, obwohl sie eigentlich nur bis 13 Uhr arbeiten sollte – und alles das ohne Pause. Dazu kommt eine abwertende Behandlung seitens dem Großteil der anderen Angestellten und ständige Überwachung durch ihre „Vorgesetzte“. Ihre Hände sind mittlerweile aufgescheuert und ständig rot und geschwollen, Handschuhe musste sie sich selbst mitbringen.
Dass ein Praktikant auch unbeliebte Arbeiten ausführen muss, ist unbestritten und wird niemals von einem engagierten Praktikanten abgelehnt! Aber diese Ausbeutung, die eigentlich nur das Ziel verfolgt, ungeliebte Arbeiten an ungeliebte Mitarbeiter abzuschieben, scheint mir völlig am Ziel eines Praktikums vorbeigeschrammt.
Wikipedia beispielsweise sagt zur Definition eines Praktikums folgendes:
Der Begriff Praktikum (Plural: Praktika) bezeichnet eine auf eine bestimmte Dauer ausgelegte Vertiefung zuvor erworbener theoretischer Kenntnisse in praktischer Anwendung bzw. das Erlernen neuer Kenntnisse und Fähigkeiten durch praktische Mitarbeit in einer Organisation
Alles, was aus dieser Definition mit der Realität übereinstimmt, ist die Aussage, Praktika seien „auf eine bestimmte Dauer“ ausgelegt. Oder welcher Praktikant muss Tätigkeiten wie Kaffee kochen oder Böden schrubben vertiefen? Wer setzt sich theoretisch mit der Reinigung von Toiletten auseinander, bevor er ein Praktikum macht? Und für wen ist Kopieren eine neu erlernte Kenntnis?!
Meiner Meinung und vor allem meiner Beobachtung nach stehen ein Großteil der heutzutage durchgeführten Praktika in krassem Gegensatz zum edlen Gedanken, der hinter dieser Idee steckt. Sollte es nicht eigentlich darum gehen, einen angestrebten Beruf kennenzulernen? Nützliche Kontakte zu knüpfen? Einblicke zu erhalten? Herauszufinden, ob das wirklich zur individuellen Lebensplanung passt?
Lena für ihren Teil hat ihren Glauben an das Gute in Chefinnen und Mitarbeitern aufgegeben. Die ersten Tage hoffte sie noch verzweifelt auf Besserung, später kettete sie sich an der Illusion fest, es könnte wohl kaum schlechter werden und immerhin hätte sie dann bessere Erfolgsaussichten auf spätere Jobs, jetzt ist ihr mittlerweile alles egal, die Mühe und das Geld, das sie opferte und die Zeit, die ihr verloren ging. Jetzt hadert Lena ernsthaft mit dem Gedanken, ihr Praktikum zu kündigen und diesen Berufswunsch ganz auf Eis zu legen. Und das, obwohl sie seit fünf Jahren in einem kleineren Hotelbetrieb als Aushilfe arbeitet und dabei nur beste Erfahrungen gesammelt hat.
Da sieht man, was Praktika alles kaputt machen können, egal, wer nun eigentlich die Finger im Spiel hatte und wer genau sich diese Behandlung ausgedacht hat! Deswegen sollte man nicht damit anfangen, die Schuld hin und her zu schieben, sondern damit, etwas an der Realität zu verändern!
P.S.: Das heißt übrigens nicht, dass es nur schlechte Praktikumsplätze gibt. Ich selbst machte 2009 ein Praktikum in einer Werkstatt für Geistigbehinderte und kann mich tatsächlich nicht über das Geringste beschweren: Ja, ich musste putzen, aber ja, ich durfte die Leute kennenlernen und mit ihnen arbeiten, ich war den ganzen Tag mittendrin, lernte sämtliche Bereiche kennen und durfte jederzeit nachfragen und auch Kritik äußern. Egal bei wem, egal ob Betreuer oder Beschäftigter, war ich immer gern gesehen und das von der ersten Minute an. Dazu kommt, dass genau darauf geachtet wurde, dass ich Pausen mache und ab und zu durfte ich sogar früher nach Hause.
Daran sieht man, es geht, es klappt, es gibt noch Unternehmen, die Praktikanten ernst nehmen!
[…] kein Einzelfall, glauben Sie mir! Lesern meines Blogs wird Lena bekannt sein, die schon bei Ihrem Praktikum eindeutig in den sauren Apfel gebissen hatte. Bis jetzt oder besser bis nächste Woche fährt für […]